Die Herstellung von Bitcoins verbraucht immer mehr Strom – und der ist auf Island günstig. Deswegen siedelt sich hier eine wachsende Bitcoin-Industrie an. Doch das freut nicht alle Isländer.
Nachrichten des Tages
Wut über Laschet im Flutgebiet "Jetzt kommt der Clown und will die Welt retten". mehr
Laschet auf Krisenmission Wie der Kanzlerkandidat sich selbst schadet. mehr
Solarpflicht, Ölheizungen, Tempolimit Das wollen die Grünen beim Klimaschutz sofort ändern. mehr
Scholz liegt vorne Kanzler-Umfrage – Laschet verliert weiter an Boden . mehr
In den vergangen Monaten ist Island zum Eldorado für Bitcoin-Unternehmen geworden. Die kühle Witterung und die großen Mengen erneuerbarer Energien in Island bieten ideale Voraussetzungen, um die virtuelle Währung herzustellen. Für das sogenannte Bitcoin Mining – also die Herstellung von Bitcoins – sind enorme Rechnerleistungen nötig, die viel Strom benötigen. In Island lässt sich günstig Energie aus Wind und Erdwärme gewinnen. Aus diesem Grund haben sich dort zahlreiche Bitcoin-Unternehmen niedergelassen.
Das unvermittelte Wachstum dieser neuen Industrie hat den Abgeordneten Smári McCarthy von der isländischen Piratenpartei auf den Plan gerufen. Er schlägt vor, die Gewinne der Bitcoin-Miner (deutsch: Bitcoin-Schürfer) zu besteuern. Die Initiative stößt bei vielen Isländern auf offene Ohren. Der Bankencrash 2008 traf Island besonders hart. Seitdem ist man dort sehr skeptisch, was spekulative Finanzgeschäfte betrifft.
Aktuelle Nachrichten im Video
Noch muss die Bitcoin-Industrie keine Steuern für ihre Gewinne zahlen
"Unter normalen Umständen zahlen Unternehmen, die Werte in Island produzieren, einen bestimmten Steuersatz an die Regierung", sagt der Abgeordnete McCarthy. "Diese Unternehmen tun das nicht, und wir sollten uns fragen, ob sie das tun sollten."
Um Bitcoins zu erstellen, müssen Computer komplexe Berechnungen durchführen. Diese Berechnungen verifizieren die Bewegungen der virtuellen Währung in aller Welt. Als Gegenleistung erhalten die Miner einen Anteil des Bitcoins, bevor dieser in Umlauf geht. Je mehr Bitcoins in den Verkehr kommen, desto stärker müssen die Rechner sein, um mit dem Umlauf Schritt zu halten. Das bedeutet auch, dass der Energieverbrauch für diesen Vorgang ständig steigt.
Keflavík ist das neue Bitcoin-Eldorado
Der ruhige Küstenort Keflavík auf der einsamen Südhalbinsel des Landes ist in den vergangenen Monaten zu einem internationalen Drehkreuz für die Erzeuger von Bitcoins und anderer virtueller Währungen geworden. Die Fischer, die an der Tankstelle des Hafens bei einer Tasse Kaffee zusammensitzen, staunen über die überdimensionalen Bauwerke, die am Rande des Ortes entstanden sind.
Zwei Faktoren bieten einen besonderen Anreiz dafür, am Randes der Polarkreises Bitcoins zu schürfen: die natürliche Kühlung der Rechenserver und der attraktive Preis für erneuerbare Energien, die es in Island im Überfluss gibt. Johann Snorri Sigurbergsson, Manager des Energieunternehmens Hitaveita Sudurnesja, erwartet, dass sich der Energieverbrauch des Landes durch die Herstellung von Bitcoins auf einen Wert von 100 Megawatt verdoppeln wird. Nach Angaben der isländischen Energiebehörde ist das mehr, als die privaten Haushalte der Insel mit ihren 340.000 Einwohnern verbrauchen.
Ein Mitarbeiter von Genesis Mining an der Computer-Anlage. (Quelle: Egill Bjarnason/AP/dpa)
Der Boom kommt überraschend
"Noch vor vier Monaten hätte ich diesen Trend nicht vorausgesehen", sagt er. "Aber dann gingen die Bitcoins durch die Decke." Es gebe eine Menge Anfragen. "Erst heute hatte ich ein Treffen mit einem Bitcoin-Unternehmen, das 18 Megawatt beziehen möchte."
Das größte der bislang drei aktiven Bitcoin-Unternehmen in Keflavík heißt "Mjölnir" – so wie der Hammer des nordischen Gottes Thor. Hohe Metallzäune umgeben das große Gebäude, in dem die Computertürme stehen. Die Mauern sind teilweise offen - so kann die kalte Außenluft die Rechner kühlen. Auch im Sommer bleibt der Wind hier konstant.
"Was wir hier machen, ist wie Goldschürfen", sagt Helmut Rauth. Rauth ist Manager des großen Bitcoin-Unternehmens Genesis Mininig, das aus Deutschland stammt. "Wir schürfen in großem Umfang und bekommen das Gold von den Leuten." Seit 2014 sitzt Genesis Mining in Island. Zu diesem Zeitpunkt bewegte sich der Kurs für einen Bitcoin zwischen 350 und 1000 Dollar (250 bis 730 Euro zum damaligen Dollar-Kurs). Heute liegt der Wert eines Bitcoins um die 8000 Dollar, im vergangenen Dezember waren es sogar 19.500 Dollar. Doch der Kurs fiel, als China im Januar erklärte, man werde die heimische Bitcoin-Mining-Industrie einstellen, weil sie so viel Energie verbrauche.
Helmut Rauth, Manager des Bitcoin-Unternehmens Genesis Mining, vor einer Computer-Anlage, die rund um die Uhr Bitcoins schürft. (Quelle: Egill Bjarnason/AP/dpa)
Genesis Mining-Manager Rauth findet nicht, dass der Staat Bitcoins mit einer Umweltsteuer belegen sollte. Computer benötigten immer Energie, sagt er. "Wieviel Energie wird für Kreditkartenzahlungen oder Internetrecherchen verbraucht? Kryptowährungen haben den gleichen globalen Einfluss", argumentiert er.
Die isländische Piratenpartei bleibt skeptisch
In der Hauptstadt Reykjavík ist man da skeptischer. Das letzte Mal, dass Island ein Drehkreuz für Finanzmärkte war, endete 2008 mit einem gigantischen Bankencrash. In der Folge entstand die Piratenpartei, die derzeit rund zehn Prozent der Sitze im isländischen Parlament hält.
Der Abgeordnete McCarthy stellt den Wert des Bitcoin Minings für die isländische Wirtschaft in Frage. Man sollte erwägen, die aufstrebende Industrie zu regulieren und zu besteuern. "Wir verbrauchen Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Megawatt für die Produktion von etwas, das weder greifbar ist, noch einen wirklichen Nutzen für Menschen hat, die sich außerhalb des Reichs der Finanzspekulationen bewegen", sagt er. "Das kann nicht gut sein."